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80 Jahre SC Herisau: Schlaue Appenzeller auf dem Eis (de herisauer, 12/2021)
Der Schlittschuh-Club Herisau (SC Herisau) sorgte in seinem bald 80-jährigen Bestehen mehrmals für Sensationen und brachte einige Profi-Spieler hervor. Der erste Teil der Serie «Ufem Iis» widmet sich der Geschichte des Clubs mit seinen Aufs und Abs.
Der Schlittschuh-Club Herisau kann demnächst seinen 80sten feiern. Grund genug, um auf die bewegte Geschichte des Clubs zurückzuschauen: Am 22. Januar 1942 wird der SC Herisau, damals noch unter dem Namen Eishockey-Club Herisau, auf Initiative von Karl Widmer von 14 Männern im ehemaligen Restaurant Bären gegründet. Obwohl bereits seit 1908 der Verein «Eisclub Herisau» besteht, dessen Ziel es ist, den Eishockeysport sowie das Eislaufen zu pflegen und zu fördern, habe der neue Verein exotisch gewirkt, schreibt Hans-Rudolf Merz, Altbundesrat und ehemaliger Vereinspräsident, im Buch «Bis zur Nationalliga – 40 Jahre SC Herisau». Und weiter: «Was war das für ein seltsamer Anblick, diese mit Sofakissen und Gummimatten notdürftig gepolsterten, luftige schwarze Manchesterhosen tragenden Kreaturen mit dem Krummstock aus Hartholz.» Nur drei Tage nach der Gründung findet das erste Spiel statt. Es bringt eine 7:2 Niederlage gegen Flawil. «Die Verantwortlichen sahen nach diesem Resultat ein, dass Geschick und Tüchtigkeit noch vor dem nächstfolgenden Winter zusätzlich geschult werden mussten», schreibt Merz. Zwei Jahre später seien während den Sommermonaten in der alten Ebnethalle zudem Konditionstrainings durchgeführt worden. Dadurch seien zwar die Schüsse schärfer geworden, gestiegen sei aber auch die Unfallgefahr. Der Verein schafft sich deshalb noch im selben Jahr die ersten Schienbeinschoner an. Die Heimspiele trägt der SC Herisau anfänglich auf dem Natureisfeld auf der Wiese östlich der Kaserne aus. Damit im Winter auf dem Eis gespielt werden kann, müssen die Vereinsmitglieder selber Hand anlegen. Im Sommer wird der Platz mit der Schaufel geebnet, im Winter mit Wasser aus dem Schlauch das Eis «aufbereitet». Als Garderobe dient die Waschküche des Restaurants Sonnenfeld und für die innere Wärme gibt’s Tee mit einem Schuss Rum.
Fans pilgern zu Fuss ins Lerchenfeld
Erstmals für grösseres Aufsehen sorgt der Verein 1953, als er sich auf eine Englandtournee begibt. Von 1948 bis 1957 spielt der Club in der Serie A, der dritthöchsten nationalen Eishockeyliga. In der Saison 1957/58 wird der Verein infolge einer Neueinteilung der Ligen in die neugeschaffene und eine Stufe tiefer liegende zweite Liga eingeteilt. 1961 benennt sich der Club in Schlittschuh-Club Herisau um, im selben Jahr verlegt er seinen Spielbetrieb ins neueröffnete St. Galler Lerchenfeld. Trotz der Distanz gehen die Herisauer Fans jeweils zu Fuss zur St. Galler Kunsteisbahn, um die Heimspiele ihrer Mannschaft zu sehen. 1969 schafft es der SC Herisau unter Trainer Kurt Wipf in die erste Liga. Nur ein Jahr später stellt der Vorstand den Spielbetrieb für zwei Jahre ein – ein seriöses Nachwuchstraining kann ohne eigene Kunsteisbahn nicht gewährleistet werden. Im selben Jahr tritt Altregierungsrat Hans Mettler aus dem Präsidium zurück und übergibt an Hans-Rudolf Merz. «Ich bin in das Amt reingerutscht. Der Club suchte nach einer Person, die führen sowie organisieren konnte und Beziehungen zum Schweizerischen Eishockeyverband hatte», erinnert sich Merz. Zudem fühle er sich seit seiner Kindheit mit dem Verein verbunden. Als Knabe sei er wann immer möglich auf den Schlittschuhen gestanden und bereits sein Patenonkel Werner Merz habe den Club während rund zehn Jahren geführt. Als Hans-Rudolf Merz das Amt übernimmt, setzt er die Nachwuchsförderung an oberste Stelle. «Der Nachwuchsaufbau geschieht nicht von heute auf morgen. Bis erste Erfolge sichtbar sind, muss man mindestens mit zehn Jahren rechnen.» Seine Rechnung geht auf. Rund zehn Jahre später, im März 1981, steigt der Club in die damalige Nationalliga B (NLB) auf – einer der Höhepunkte während Merzs Präsidentschaft. 1983 tritt Hans-Rudolf Merz aus beruflichen Gründen zurück. Der Verein nimmt an Professionalität zu und so auch der Aufwand. Diesen kann Merz mit seinem Beruf als selbstständiger Unternehmensberater in Europa, Nord- und Südamerika, Südafrika sowie im arabischen Raum zeitlich nicht mehr vereinbaren. Dem SC Herisau ist er jedoch bis heute als Anhänger treu geblieben – seit der Eröffnung des Sportzentrums 1973 hat er seinen Zuschauerplatz auf der Tribüne behalten und besucht, wenn es die Zeit zulässt, nach wie vor die Heimspiele. Er hätte sich gefreut, wenn sich Herisau als «Puck-Dorf» neben St. Gallen als «Ball-Stadt» hätte etablieren können – immerhin sei der SC Herisau im Eishockey der erste Ostschweizer Verein gewesen, welcher auf nationaler Ebene gespielt hätte. Dennoch ist für Merz klar: «Der Verein holt aus seinen Möglichkeiten das Optimum heraus.»
Erste auswärtige Spieler im Team
Zeitgleich wie Merz gehört auch Bruno Kellenberger dem Vereinsvorstand an. Als Materialchef ist er für den Einkauf der Stöcke und die allgemeinen Ausrüstungsgegenstände verantwortlich. «Abgesehen von den Eislaufschuhen, stellten wir unseren Spielern die notwendige Ausrüstung zur Verfügung.» Mit dem Aufstieg 1981, steigen auch die Anforderungen an den Verein. 1982 wird mit Jean-Pierre Leroux aus Kanada der erste auswärtige Spieler in den Club geholt. Bruno Kellenberger holt ihn am Flughafen Zürich ab und erinnert sich gut an diesen ersten Kontakt. «Beim Terminal kamen viele grosse, breitgebaute Männer mit ihren eigenen Stöcken an, doch keiner sah aus wie Leroux. Wir waren überzeugt, dass er den Flug verpasst hatte.» Kellenberger wartet geduldig. Leroux taucht letztlich doch auf, Kellenberger indessen erkennt ihn kaum. «Er sah ganz anders aus als auf dem Bild, das wir von ihm
hatten. Ich erwartete einen grossen, stämmigen Spieler. Leroux war aber ein rund 1.60 Meter grosser Mann, den man hinter seinem Gepäckberg fast nicht sah.» Für Bruno Kellenberger gehören die Aufstiege der ersten Mannschaft zu den grössten Highlights seiner Vereinszeit. «Die Freude war immer gross. Es war auch der Lohn für den geleisteten Einsatz aller Beteiligten. In diesen Momenten wussten wir, dass wir es mehrheitlich gut machten.» 1985 steigt der SC Herisau für eine Saison in die erste Liga ab. Im selben Jahr gibt Kellenberger sein Ämtli weiter. Von da an verfolgt er die Geschicke des SC Herisau als Zuschauer von der Tribüne aus.
hatten. Ich erwartete einen grossen, stämmigen Spieler. Leroux war aber ein rund 1.60 Meter grosser Mann, den man hinter seinem Gepäckberg fast nicht sah.» Für Bruno Kellenberger gehören die Aufstiege der ersten Mannschaft zu den grössten Highlights seiner Vereinszeit. «Die Freude war immer gross. Es war auch der Lohn für den geleisteten Einsatz aller Beteiligten. In diesen Momenten wussten wir, dass wir es mehrheitlich gut machten.» 1985 steigt der SC Herisau für eine Saison in die erste Liga ab. Im selben Jahr gibt Kellenberger sein Ämtli weiter. Von da an verfolgt er die Geschicke des SC Herisau als Zuschauer von der Tribüne aus.
Erfolge und Tiefpunkte
Den bisher grössten Erfolg feiert der Club im Frühjahr 1997, als er erstmals in die damalige Nationalliga A (NLA) aufsteigt. Diesen Höhepunkt erlebte auch Lukas Pfiffner, der den Verein seit 1980 journalistisch begleitet. «Dieses letzte Playoffspiel gegen die Grasshoppers Zürich mit über 5 000 Zuschauer*innen im Sportzentrum war spektakulär.» Der Aufstieg aber bleibt nicht ohne Konsequenzen. Der Verein gerät in finanzielle Schwierigkeiten und steigt ein Jahr später wieder ab. «Die Finanzen und die personellen Turbulenzen im ersten und zweiten Jahr nach dem sofortigen Abstieg aus der NLA, führten 1999 letztlich zum Konkurs», sagt Pfiffner. 2012 kommt es aufgrund von zu hohen Personalkosten und fehlenden Zuschauereinnahmen wieder zu existenzbedrohenden Schulden in der Höhe von 300 000 Franken. Der Verein schafft es, die Kurve zu kriegen und bezahlt seine letzten Schulden 2019 ab. Trotz finanziellen Schwierigkeiten in der Vergangenheit ist Pfiffner der Meinung: «Der SC Herisau zeichnete sich jahrzehntelang als schlauer Verwalter seiner bescheidenen Mittel aus.» Auch abseits des Eises geniesse der Verein viele Sympathien, ganz nach dem Motto: «Die schlauen Appenzeller behaupten sich gegen die reichen Städter». Und obwohl sich der Club seit 2017 in der ersten Liga bewegt, geniesse er nach wie vor eine hohe Wertschätzung – nicht zuletzt auch weil junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung «nach oben» geschafft haben – wie zuletzt Dario Allenspach. Heute sieht Pfiffner den Verein genau dort wo er hingehört: «Ein regionaler Verein, der den Schwerpunkt auf den Nachwuchs legt und sich in keine finanziellen Abenteuer mehr stürzt.»
Den bisher grössten Erfolg feiert der Club im Frühjahr 1997, als er erstmals in die damalige Nationalliga A (NLA) aufsteigt. Diesen Höhepunkt erlebte auch Lukas Pfiffner, der den Verein seit 1980 journalistisch begleitet. «Dieses letzte Playoffspiel gegen die Grasshoppers Zürich mit über 5 000 Zuschauer*innen im Sportzentrum war spektakulär.» Der Aufstieg aber bleibt nicht ohne Konsequenzen. Der Verein gerät in finanzielle Schwierigkeiten und steigt ein Jahr später wieder ab. «Die Finanzen und die personellen Turbulenzen im ersten und zweiten Jahr nach dem sofortigen Abstieg aus der NLA, führten 1999 letztlich zum Konkurs», sagt Pfiffner. 2012 kommt es aufgrund von zu hohen Personalkosten und fehlenden Zuschauereinnahmen wieder zu existenzbedrohenden Schulden in der Höhe von 300 000 Franken. Der Verein schafft es, die Kurve zu kriegen und bezahlt seine letzten Schulden 2019 ab. Trotz finanziellen Schwierigkeiten in der Vergangenheit ist Pfiffner der Meinung: «Der SC Herisau zeichnete sich jahrzehntelang als schlauer Verwalter seiner bescheidenen Mittel aus.» Auch abseits des Eises geniesse der Verein viele Sympathien, ganz nach dem Motto: «Die schlauen Appenzeller behaupten sich gegen die reichen Städter». Und obwohl sich der Club seit 2017 in der ersten Liga bewegt, geniesse er nach wie vor eine hohe Wertschätzung – nicht zuletzt auch weil junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung «nach oben» geschafft haben – wie zuletzt Dario Allenspach. Heute sieht Pfiffner den Verein genau dort wo er hingehört: «Ein regionaler Verein, der den Schwerpunkt auf den Nachwuchs legt und sich in keine finanziellen Abenteuer mehr stürzt.»
Helena Städler