Interview mit Nachwuchschef Marco Capaul: «Ich bin gespannt, was möglich ist»
Marco Capaul ist der neue Nachwuchs-Chef beim SC Herisau. Der Churer bringt einen grossen Erfahrungsschatz mit - und hat sich bereits klare Ziele gesetzt. Eines davon ist ein möglicher Aufstieg des U20-Teams in die U20-Top-Liga. Noch muss er seine Spieler aber erst kennenlernen.
Herr Capaul, was ist das ideale Alter für den Hockey-Start?
Das gibt es nicht. Ich bin der Ansicht, die Kinder sollten aufs Eis, sobald sie Lust darauf haben. Nicht unbedingt sofort einem Verein beitreten, aber das Eis kennenlernen.
Also erst in den Verein, wenn sie etwas Schlittschuhlaufen können?
Nicht zwingend. Aber wenn sie schon selbst aufstehen und sich etwas auf dem Eis bewegen können, macht das die Sache für die Betreuer sicher einfacher (lacht).
Sie sind seit dem 1. Juli beim SC Herisau (60 Prozent). Was sagen Sie zur Infrastruktur für die Jüngsten?
Ich bin nach wie vor dabei, den Club kennenzulernen. Aber was ich bisher gehört und gesehen habe, macht einen guten Eindruck. Es gibt eine Hockeyschule und ein Team auf jeder Altersstufe. Aber natürlich kann man immer noch mehr machen. Insbesondere im Bereich der Kommunikation. Es ist zum Beispiel bereits mit dem Vorstand abgesprochen, dass der Nachwuchs nicht nur vereinsintern in den Mittelpunkt gestellt werden soll, sondern das auch noch mehr durch geeignete Kommunikationsmassnahmen nach aussen getragen werden soll.
Ihr Fokus wird mitunter auf den U17- und U20-Teams liegen, bei welchen Sie auch Headcoach sind. Muss man die Jungen heute anders angehen also noch vor 10, 20 Jahren?
Absolut. Früher galten die Trainer als unfehlbar. Man musste die Übungen und Einheiten nicht erklären, und konnte die Jungs auch mal etwas härter anfassen. Heute findet viel mehr Dialog statt. Auch mit den Eltern. Viele von ihnen interessieren sich sehr für die Strukturierung der Trainings und haben eigene Ideen. Damit muss man als Trainer umgehen können. Ich sehe es als Chance: So hinterfrage ich mich automatisch auch selbst.
Für einen 1.-Liga-Club wie den SC Herisau ist es nicht immer einfach, die Spieler lange zu halten. Könnte Ihr Engagement dazu etwas beitragen?
Wichtig ist mir dabei: Der Club sollte es als Visitenkarte sehen, wenn ein junges Talent zu einem NLA- oder NLB-Club wechselt. Verhindern kann man das sowieso nicht. Und wenn wir in Herisau talentierte junge Spieler ausbilden, zeigt das, dass wir unseren Job gut machen. Aber klar: Es muss schon das Ziel sein, die Spieler möglichst lange zu halten - besonders in den mittleren Altersstufen.
Das U17-Team spielt bereits in der Top-Liga. Das U20-Team nicht. Was ist Ihr Plan diesbezüglich?
Das war eine der ersten Fragen, die mir gestellt wurde. Und ich bin der Meinung, man sollte einen Aufstieg in die U20-Top mindestens prüfen. Einerseits könnte man so die Diskrepanz zwischen U17 und U20 ausgleichen und andererseits steigert das auch die Attraktivität des Clubs.
Aber so ein Aufstieg müsste auch von den Spielern mitgetragen werden.
Natürlich! Und das Ganze ist auch nicht zu unterschätzen. Die U20-Top-Liga ist noch einmal ein ziemlicher Niveau-Sprung. Ausserdem finden diese Spiele dann in der ganzen Schweiz statt. Oft Freitag und Sonntag. Dazu braucht es Transportmöglichkeiten und das Commitment des Teams.
Ich vermute, der Trainingsplan würde sich auch ändern.
Ja. Deshalb müssen wir das Thema in der Vereinsführung erst besprechen. Denn ein Aufstieg hat logistische, organisatorische und finanzielle Folgen.
Und hat das Team spielerisch das Zeug dazu?
Dazu kann ich Stand heute noch nicht viel sagen. Ich werde die Teams in den kommenden Wochen kennenlernen und mir ein Bild machen. Klar ist aber auch: Ein Aufstieg sollte in jedem Fall nicht überstürzt werden. Das kann auch ein längerfristiges Ziel sein. Bei einem Verein wie dem SC Herisau geht es in erster Linie darum, möglichst vielen Jungen die Chance zu geben, Eishockey zu spielen. Wenn wir es schaffen, möglichst viele von unserem Sport zu überzeugen und diese perfekt auf allen Stufen zu fördern, wird sich die Qualität und der Erfolg auf den einzelnen Stufen von allein einstellen.
Sie kommen aus Chur, einer Hockey-Stadt. Werden Sie diesen «Fanatismus» hier nicht etwas vermissen?
Das glaube ich nicht. Mein erster Eindruck ist, dass die Motivation hier ebenfalls sehr gross ist und in allen Bereichen mit Hochdruck gearbeitet wird. Ausserdem sehe ich es auch als meine Aufgabe, ein Teil dieses «Feuers» hierher zu bringen.
Und Ihr erster Eindruck von der Vereinsführung? Lässt man Ihnen freie Hand?
Vollkommen. Mir wurde bisher sehr viel Vertrauen entgegengebracht. Und ich werde natürlich versuchen, die Nachwuchsbetreuung auf jeder Stufe zu unterstützen und den ganzen Nachwuchs weiterzubringen. Dabei ist es wichtig, dass jeder einzelne Spieler Fortschritte machen kann und der Zusammenhalt im ganzen Verein gross ist. Nicht nur bei U17 und U20.
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Zur Person
Der 48-jährige Marco Capaul begann seine Eishockey-Kariere beim EHC Chur. Nach dem Durchlaufen der Nachwuchs-Abteilung wechselte er für ein Jahr nach Lugano. Anschliessend folgten 11 Jahre in Rapperswil. Seine aktive Zeit liess er wiederum beim EHC Chur auslaufen. Währenddessen arbeitete er nebenbei in einem Temporär-Büro und begann gleichzeitig, Traineraufgaben wahrzunehmen. Später übernahm er das vollamtliche Amt des Nachwuchschefs in Chur, das er bis Ende April 2021 innehatte. Seit dem 1. Juli ist er nun beim SC Herisau mit einem 60-Prozent-Pensum angestellt. Er führt als Nachwuchschef den kompletten Nachwuchs, ist für die Ausrichtung und Koordination der einzelnen Stufen zuständig und wird bei den U17- und U20-Teams auch noch als Headcoach tätig sein. Marco Capaul lebt in Chur, ist verheiratet und hat zwei Kinder.